(Bild: Brina Jakob Photography)
„Verfall“… wie der Zahn der Zeit an etwas nagen kann, sieht man, wenn man mit offenen Augen durch die Gassen eines Ortes geht… So ging es mir am gestrigen Samstag, als ich in Begleitung lieber Menschen mit der Kamera durch die Straßen eines Ortes in der Nähe meines Wohnortes schlenderte.
Überall leerstehende Häuser mit zerbrochenen Scheiben, undichtem Dach, der Natur, die sich ihr Reich zurück erobert.
Leer stehende Kneipen, in denen man sich „früher“ noch in geselliger Runde hinsetzte, und sich über das Wetter, Politik und auch andere Themen des Lebens bei einem Bier austauschte.
Leer stehende Ställe und Scheunen, die einst von Leben gefüllt waren – oder von zum Leben notwendigen „Bedarf“.
Gebäude, in denen einst Menschen oder Tiere liebten und lebten.
Nur noch mehr oder weniger halbwegs gut erhaltene Gerippe. Ein paar Mauern, die stehen, und, wenn sie Glück haben, noch ein paar Jahre stehen bleiben, bevor sie zusammen fallen, oder von wildem Wuchs überwuchert werden.
Überall ist zu sehen, wie die Farbe abblättert, die Scharniere, Schlösser und anderes von Rost überzogen sind oder werden.
Man sieht überall den Lauf der Zeit. Man sieht überall, wie etwas „verkommt“, wenn es nicht gehegt und gepflegt wird.
Wie etwas verfällt, wenn es nicht mit Leben gefüllt wird. Wenn sich nicht um etwas gekümmert wird. Wenn nichts Instand gehalten oder repariert wird.
Doch nicht nur „Dinge“ verfallen… Auch Menschen kann dies auf andere Art und Weise geschehen… Schaut man sich die Gesellschaft an, und bedenkt, welche Werte einmal gelebt wurden, und was sie so manchen Menschen mittlerweile noch bedeuten, bekommt man den Eindruch, dass auch die Menschheit/die Gesellschaft „verfällt“.
Wo „früher“ noch etwas gehegt und gepflegt wurde, damit es lange (an-)hält, wird mittlerweile weggeworfen und/oder ausgetauscht.
Man scheint „ersetzbar“ zu sein oder zu werden. Im Job muss immer mehr geleistet werden. Die Erwartungshaltungen heutzutage sind hoch – und erfüllt man die Erwartungen nicht, hockt um die Ecke jemand, von dem geglaubt wird, dieser könne die Erwartungen erfüllen. Man wird ausgetauscht. Wie ein Gegenstand, den man auf den Flohmarkt stellt, und schaut, ob ihn jemand mitnimmt – gegen Geld, oder für geschenkt.
Auch in zwischenmenschlichen Sachen wird kaum noch etwas repariert.
Werte, die groß geschrieben sein sollten, überlesen zunehmend mehr Menschen.
Respekt zum Beispiel wird längst nicht mehr so groß geschrieben, wie es sein sollte… Respekt wird von jedem erwartet – und erfährt es scheinbar immer seltener.
Loyalität auch… Es wird erwartet, dass man loyal ist, und erfährt immer öfter, wie jemand einem in den Rücken fällt.
Ehrlichkeit… Jeder möchte, dass man weiß, woran man ist. Niemand möchte angelogen werden. Und doch gibt es viel zu viele Menschen, die nur das sagen, was andere hören wollen. Sie sind nicht mehr aufrichtig, und machen es sich bequem.
Manche scheuen in manchen Situationen Ehrlichkeit, da sie wissen, dass diese einem anderen weh tun könnte. Doch vergessen sie dabei, dass die Wahrheit zwar weh tun kann, aber immer noch besser ist als falsche Hoffnungen oder eine gelebte Lüge.
Manche vergessen, dass der Mensch ihnen gegenüber schon ahnt, dass etwas nicht ehrlich ist, oder nicht ganz der Wahrheit entspricht. Und trotzdem scheuen sie sich, die Wahrheit auszusprechen. Eine Wahrheit, die offensichtlich scheint.
Offenheit… Jeder wünscht sich jemanden, der ihm gegenüber offen und ehrlich ist. Der offen ausspricht, was ihn bewegt, umtreibt, oder auch belastet.
Jeder möchte wissen, woran man ist. Und doch gibt es Menschen, die es scheuen, offen mit etwas umzugehen.
Sie tragen Masken. Oftmals schöne, bunte, fröhliche Masken, die andere erfreuen. Masken, die anderen Hoffnungen machen, oder den Glauben an etwas schenken.
Fröhliche Farben. Perfekt gemalt. Ohne offensichtliche Makel.
Doch so, wie die Farbe und der Putz eines Gebäudes mit der Zeit seine Risse bekommt… So, wie dort Farbe abplatzt, so kann auch die schönste Maske sich in Wohlgefallen auflösen.
Und zum Vorschein kommt ein Verfall… Ein Verfall der Menscheit… Ein Verfall der Gesellschaft…
Denn man hegt und pflegt nichts mehr… Andere nicht, und sich selbst wohl manches Mal auch nicht…
Man erwartet – und läuft selbst vor der Verantwortung davon.
Man hegt und pflegt manch materielle Dinge, und vergisst dabei die eigene Menschlichkeit.
Und so, wie manche Dinge und Gebäude verfallen – so verfallen auch menschliche Werte… Ein Verfall, der mich traurig stimmt!